Montag, 27. April 2015

Was ich anders machen würde, wenn ich nochmal die Chance hätte




Never refuse an invitation, never resist the unfamiliar,
never fail to be polite and never outstay the welcome.
Just keep your mind open and suck in the experience.
And if it hurts, you know what? It’s probably worth it

                            Richard – The Beach

Ein Austauschschüler zu sein ist wirklich nicht immer einfach! Es ist harte Arbeit, treibt einen gelegentlich in den Wahnsinn und sorgt für einige emotionale Zusammenbrüche. Manchmal fragt man sich, wieso man das ganze überhaupt macht, und vergisst dabei, was für eine tolle Erfahrung das eigentlich ist.

Ich würde es generell jedem empfehlen, der die nötige Abenteuerlust und die Möglichkeiten hat. Habt ihr schon mal darüber nachgedacht, einfach für eine Zeit abzuhauen?

Exchange isn’t a year in your life, it’s a life in a year“. Es ist also nicht nur ein kurzer Abschnitt, sondern es ist ein eigenes Leben. Eine Chance einmal wer anderes zu sein, sich neu zu finden. Ein zweites, neues Leben aufbauen, in einem anderen Land und mit anderen Menschen. Und es liegt an uns selbst, dieses Leben so toll wie nur möglich zu gestalten. Ich hätte es selbst früher nicht gedacht, aber es gibt ein paar Dinge, die ich jetzt anders machen würde, mir mehr zu Herzen nehmen würde. Aber es ist eben ein Prozess und einige Dinge werden einem erst klar, wenn es schon fast wieder zu Ende ist.

Man sieht also, ein Auslandsjahr ist kein Jahr Urlaub und es ist nicht perfekt. Es werden die einen oder anderen Probleme auf einen zukommen, aber man wird gerade dadurch und mit ihnen wachsen. Den perfekten Austauschschüler gibt es ebenso wenig, aber es gibt ein paar Dinge, Tipps, die ich zukünftigen Reisenden ans Herz legen möchte, und manche würde ich selber anders/besser machen wollen, wenn ich noch einmal die Chance dazu hätte.

Just do it!
Egal ob deine Gastmutter dich fragt mit einkaufen zu gehen oder die Gastoma dir einen ihrer selbstgemachten Kekse anbietet – mach es, probier‘ es, geh mit! Versuch einfach zu allem „Ja“ zu sagen. Es sind auch die kleinen Dinge, die einem Erfahrungen bereiten.

Lerne die Sprache
Natürlich wird keiner von Anfang an verlangen, dass du die Sprache perfekt sprichst. Das wäre ja irgendwo langweilig und du bist ja gerade da, um diese zu lernen. Aber umso mehr du dich damit beschäftigst, desto schneller geht es eben. Gerade wenn nach der Anfangsaufregung über den neuen Austauschschüler alle wieder ihrem Alltag nachgehen, musst DU mehr aus dir heraus kommen und auf andere zugehen. Und glaub‘ mir, alle werden sich freuen, wenn du sie in ihrer Muttersprache und nicht auf Englisch ansprichst!

Trau‘ dich
So kommen wir schon zum nächsten Punkt. Ich habe mich schon das ein oder andere Mal geärgert, dass Menschen nicht auf mich zukamen. Hatte das Gefühl, dass niemand mit mir sprechen möchte oder sogar Angst sie mögen mich nicht. Aber dann ist mir klar geworden, es ist nicht ihr Auslandsjahr, es ist meins. Die haben alle ihre Freunde, ihre Familie, ihren Alltag. Ich bin die, die sich integrieren und auf andere zu gehen muss. Also fragt einfach mal, ob jemand Lust hat etwas zu unternehmen, geht auf eure (neuen) Mitmenschen zu, unternimmt was, habt Spaß!

Die Gastfamilie
Gerade wenn man noch nicht so viele Freunde gefunden hat, ist die Gastfamilie wohl der wichtigste Standpunkt für dich in deinem Gastland. Egal wie komisch ihre Angewohnheiten auch scheinen mögen, diese sind die Menschen, die dich in ihrem Zuhause aufgenommen haben. Es ist kein Hotel, es ist eine ganz normale Familie, wie deine eigene auch.

Sag, wenn du dich nicht wohlfühlst
Der einzige Weg ein Problem zu lösen, ist der es auszusprechen. Wenn du dich nicht wohlfühlst oder irgendetwas dich wirklich stört, gerade was dein „Zuhause“ betrifft, dann musst du es sagen, anders wird es sich nicht ändern. Ich kann ganz ehrlich zugeben, dass ich in meiner ersten Familie ein paar Probleme hatte und im Nachhinein hätte ich gerne eher etwas unternommen. Andererseits kannst du natürlich nicht verlangen, dass die Familie oder die einzelnen Personen sich grundlegend ändern, aber du kannst ja eben die Familie wechseln. Ich hätte ehrlich gesagt nie gedacht, dass mir das passieren würde, aber letztendlich war es gar nicht schlimm! Denkt immer daran, ihr seid eben nur für eine bestimmte Zeit in diesem Land und ihr wollt so viel wie nur möglich davon mitnehmen. Und wenn ihr euch nicht wohlfühlt, dann müsst ihr was ändern, aber habt keine Angst davor!

Verbringe nicht zu viel Zeit online und @home
Das ist auch so eine Sache, die mit dem vorigen zusammen hängt und ja, es ist wirklich nicht so einfach hier die nötige „Balance“ zu finden. Es war erst letztens, dass meine Schwester mir geschrieben hat „Von dir hört man ja auch nichts mehr“. Und das stimmte wohl, zumindest hatte ich mich seit knapp einer Woche nicht mehr gemeldet. Aber zu anderen Zeiten saß ich auch mal zwei Stunden vorm Laptop und habe mit einer Freundin geskypt. Und das ist auch schön so. Aber man sollte es eben nicht übertreiben. Sage eben „ja“ zu allem. Und wenn deine Familie oder Freunde etwas unternehmen wollen, dann geh selbstverständlich mit, anstatt zuhause nur bei WhatsApp rumzusitzen. Zumal der Kontakt zu Freunden und Familie nach Hause das Heimweh auch manchmal noch schlimmer machen kann!

Sei offen für Neues
Ich erinnere mich noch gut, wie oft ich manche Dinge als “komisch” oder “neu” angefunden habe. Auch jetzt, wo ich mich eigentlich an so einiges gewöhnt haben solllte, finde ich manches immer noch total ungewohnt. Aber eigentlich ist es ja genau das, was ich wollte. Neue Welten entdecken, andere Sichtweisen erforschen, und meinen Horizont erweitern. Unterschiedliche Kulturen kennenlernen, Barrieren durchbrechen, anstatt zu urteilen.

Nie aufhören zu fragen
Dieser Punkt geht auch damit einher. Dinge ansprechen, aussprechen und fragen! Ich kam mir teilweise wirklich selber nervig vor, so oft wie ich etwas fragen musste. Teilweise immer wieder aufs Neue. Aber wisst ihr was? Es stört niemanden. Meine Erfahrungen sind sogar, dass die anderen es eher immer für gut befunden haben, dass ich eben nachfrage, nachhake, mich für ihre Kultur interessiere. Es ist doch auch viel spannender die Leute vor Ort „auszufragen“ und die Dinge mal ein wenig zu analysieren, verstehen wieso es manche Traditionen gibt, wieso dieser Berg so und so heißt etc…

Fehler und Fettnäpfchen
Es ist noch nie ein Meister vom Himmel gefallen. Man muss, wie gesagt, sich an neue Dinge gewöhnen und das braucht Zeit. Teilweise trete ich noch immer in die gleichen Fettnäpfchen, aber andere kann ich mit Bravour umgehen. Manchmal war es mir persönlich peinlich, aber die anderen hat es eigentlich gar nicht gestört, es sind sogar tolle Insider und witzige Erinnerungen daraus geworden, über die wir heute noch lachen. Außerdem sind Fehler eben auch Erfahrungen, und es ist immer besser es zu probieren, auch wenn es schief geht,  als es erst gar nicht zu versuchen.

Nichts ist perfekt
Ich muss schon zugeben, ich hätte mir mein Leben vor einem Jahr bestimmt nicht so vorgestellt, wie es jetzt ist. Momentan ist alles eigentlich ziemlich gut, aber es gab und gibt auch immer noch ab und zu Tagen und Phasen, da ist es nicht so. Aber das hat nicht unbedingt etwas mit meinem Auslandsjahr zu tun. Es ist eben kein 5-Sterne-Urlaub. Genauso ist es auch nicht zuhause. Das Leben hat Höhen und Tiefen, und so hat auch dieses Jahr gute und weniger gute Zeiten, nur das man im Auslandsjahr die Gefühle oft extremer erlebt. Aber am Ende wird man dankbar sein, für alles was man erleben durfte!

Nicht aufgeben!
Und das ist wohl das Wichtigste. Wenn ihr Glück habt, bleibt euch das erspart, aber der Großteil aller Austauschschüler kommt mal an den Punkt, wo man am liebsten einfach seine Koffer wieder packen und in den nächsten Flieger nach Hause fliegen wollen würde. Zuhause ist so toll und alles scheint viel besser als je zuvor! Keine Probleme mit der Sprache, nah bei deinen Freunde und Familie, dein Lieblings Essen. Man wird wieder an den Punkt kommen und alles in Frage stellen. War es das wert, wieso bin ich nicht in ein anderes Land, in eine andere Stadt. Jeder wird die einen oder andere Probleme haben, größere oder kleinere. Wenn es so einfach wäre, dann würde es jeder machen. Tut es aber nicht, denn so eine Zeit im Ausland ist verdammt nochmal nicht leicht. Aber die schlechten Zeiten gehen vorüber und die Guten werden überwiegen. Aber auch gerade von den „negativen“ Ereignissen wird man so viele gute Erfahrungen fürs ganze Leben schöpfen!

Das war jetzt wieder ein ziemlich langer und intensiver Text. Aber da ich jetzt schon öfters gefragt wurde, wie das eigentlich so ist, dachte ich mal einen Beitrag darüber zu schreiben und hoffe, ich kann den einen oder anderen motivieren, auch auf so eine wunderbare Reise zu gehen! :)