Donnerstag, 6. November 2014

Wieso, weshalb, warum eigentlich?


Ich habe in letzer Zeit eine ganze Menge nachgedacht. Ok, ich glaube das ist so eine Disfunktion bei mir. Wenn ich einmal anfange über irgendwas nachzudenken, dann kann ich schlecht aufhören. Und zu einer Lösung komme ich meistens auch nicht wirklich, am Ende bleiben nur Kopfschmerzen. Jedenfalls habe ich nochmal über mein ganzes Jahr nachgedacht und vorallem wieso ich das überhaupt mache. Jeder Auslandsaufenthalt ist eine große Herausforderung. Man muss sich in einer völlig neuen Umgebung in einem fremden Land zurecht finden und hat vorher eigentlich keine Ahnung, was einen erwartet. Es ist so eine unglaubliche persönliche Bereicherung, bei der man sich selber völlig neu entdeckt. Man bekommt einen Einblick in ein fremdes Land, wie man ihn in keinem Urlaub bekommen kann. Die gesammelten Erfahrungen wird man sein Leben lang nicht vergessen.
Es liegt jetzt ein ganz schön langer Text vor uns, aber ich habe doch einige Gründe gefunden und wenn ich mir die so durchlese, geht es mir doch trotz Heimweh wieder besser. [...]

Ich wollte Abstand gewinnen. Vom gewohnten Alltag, dem Leben, wie ich es bisher gelebt hat. Auch von meiner Familie, Freunden, von nahezu allem. Aber jetzt wo es so weit ist, ist es echt hart. Ich lerne mich selbst kennen, von völlig neuen Seiten. Ich habe mich selbst manchmal noch nie so gesehen, wie ich es hier tue und überrasche mich. Ich werde um einiges selbstständiger und mein Selbstbewusstsein steigt. Vom letzeren hatte ich ja eher nicht so viel, und vorallem in den letzen Jahren ist mir das so oft zum Verhängnis geworden und ich hatte es einfach leid. Ich brauchte was anderes als das, was ich bisher gewohnt war. Ich musste was neues erleben, andere Leute mit anderen, neuen Sichtweisen kennenlernen. Mich inspirieren lassen und meine eigenen Ansichten überdenken. Neue Eindrücke sammeln, die ich nie mehr vergessen werde. Ich fange an aufzuschreiben, was in Deutschland alles besser ist. Heimweh und Fernweh bekommen eine immer größere Bedeutung für mich, denn dadurch lerne ich mein Zuhause, Deutschland und die Heimat, mein gewohntes Leben wirklich zu schätzen.
Ich bin zu der Erkenntnis gekommen, dass auch Probleme und Schwierigkeiten einen weiterbringen können. Ich lerne diese besser zu lösen und vorallem in schwierigen Situationen alleine klarzukommen. Große Herausforderung erleben und eine Art Vorbereitungen aufs spätere Leben bekommen. Vorteile fürs Berufsleben, eine gute Grundlage für die Zukunft. Werde mir jeden Tag ein bisschen mehr über meine Pläne bewusst, kann mir neue Ziele setzen und mich voller Tatendrang auf den Weg machen, diese auch wirklich zu erreichen. Das ist mir ziemlich wichtig.
Sprache wird manchmal zu einer Barriere. Kommunikationsschwierigkeiten, Missverständnisse, Stille. Besser nichts sagen, als was falsches. Aber das wird mit der Zeit noch werden. Mein Englisch verbessert sich und weil ich mir ja nicht schon genug vorgenommen habe, wollte ich ja noch eine komplett neue Sprache dazu lernen.
Ich will mein Deutsch hier nicht verlernen. Aber des öfteren komme ich in meinem Kopf ordentlich durcheinander. Ich entwickel ein gewisses Sprachgefühl.
Und auch ein Gefühl für Menschen. Ich habe noch nie zuvor so viele neue Menschen kennen gelernt. Werde offener und kontaktfreudiger, aber ich muss auch einfach auf andere Menschen zu gehen, was mir nicht immer leicht fällt. Toleranz zeigen und sich an andere Menschen und Kulturen anpassen. Aber ich versuche alles mitzunehmen.
An manchen Tagen fühlt es sich an wie ein Jahr Urlaub. Ein Jahr lang eigentlich keinen haben, der mir so richtig vorschreiben kann, was ich zu tun hab. Ich fange Schritt für Schritt an, mein eigenes Leben neu aufzubauen und mein eigenes Ding zu machen. Getrennt von der Familie und den Freunden, aber dadurch merke ich wirklich, was für tolle Menschen ich an meiner Seite habe. Und auch wenn wir momentan nicht zusammen sein können Together forever but never apart, maybe in distance but never by heart und ich glaube ich liebe sie dadurch sogar noch mehr. Ich lerne mit Veränderungen klar zu kommen und auch, dass man nicht immer alles als selbstverständlich ansehen kann. Die Welt aus einem völlig neuen Blickwinkel betrachten und es als Möglichkeit sehen, die eigenen Ansichten zu überdenken. Ich möchte die Chance nutzen mich zu verändern. Nicht grundlegend, aber es gibt ein paar Dinge, die sich ändern müssen. Ich lerne, wo meine eigenen Grenzen sind. Ich muss Heimweh ertragen und baue eine stärkere Persönlichkeit auf.
Ich kann aus dem Alltagstrott für eine Weile entfliehen und einfach mal eine verdammt coole Zeit haben. Eine neue Esskultur probieren und mir dabei sehnlichts Mamas beste Küche herbei wünschen.
Ich entdecke ein neues Land, in dem ich noch nie zuvor gewesen bin, und auch seine Traditionen. Ich werde weltoffener. Es kann  auch nicht jeder sagen, dass er zwei Familien hat und ein zweites Zuhause in einem anderen Land. Ich habe hier neue Hobbys und Fähigkeiten an mir selber entdeckt. Habe angefangen und wirklich Spaß daran gefunden, einen Blog über meine Zeit zu schreiben, um anderen die Möglichkeit zu geben, daran Teil zu haben.
Aber trotzdem merke ich besonders jetzt, wie schnell die Zeit umgeht. Selbst ein Jahr, was sich so lang anhört, ist so schnell wieder vorbei. Und vielleicht lerne ich dadruch auch, meine Zeit, mein Leben besser zu schätzen und zu nutzen. Ich lerne geduldig zu sein und vielleicht auch auf gewisse Dinge zu verzichten. Neu anzufangen und weiß besser, was ich eigentlich will. Ich habe mir etwas vorgenommen und gesagt Das schaffe ich!, auch wenn es manchmal echt nicht leicht ist. Aber ich habe gelernt, mich zu verabschieden, mich von einem Moment auf den anderen loszulösen und über meinen eigenen Schatten zu springen. Es ist ein Abenteuer. Jeden Tag aufs neue. Neue Herausforderungen, Begegnungen und Fettnäpfchen. Und auch wenn das alles ein ziemlich teurer Spaß ist, am Ende ist es ein unbezahlbares Jahr.
Ich kann hier einen Traum verwirklichen und etwas machen, was nicht alle machen und was sich vielleicht auch einfach nicht jeder traut. Ich kann stolz sein. Auf mich selbst.
Ich glaube, diese Chance bekommt man nie wieder. Und ich glaube auch, dass es für mich keinen besseren Zeitpunkt geben kann, genau jetzt macht es am meisten Sinn. Auf diese Reise zu gehen, um mir selbst näher zu kommen, mich selbst zu finden und dann zuhause zu sein.